Potsdam - Am Ende war die Empörung doch zu groß. Der Abzug von 14 Gedenkstätten- und Museumspädagogen als Ausgleich für den Lehrermangel und den Unterrichtsausfall an Brandenburgs Schulen ist vom Tisch. Auch den geplanten Ersatz durch anderes, nichtpädagogisches Personal, bezahlt aus dem Haushalt des Kulturministeriums, soll es nicht geben. Darauf einigten sich die rot-rote Regierungskoalition von SPD und Linke sowie die Oppositionsfraktionen von CDU und Grünen am Donnerstag im Bildungsausschuss des Landtags. Die Oppositionsfraktionen stimmten einem entsprechenden Kompromissantrag von Rot-Rot zu.
Nun heißt es im Antrag von Rot-Rot, dass es "auch zukünftig einer qualifizierten gedenkstättenpädagogischen Begleitung" bedürfe. Allerdings legte der Ausschussfest, dass im Zuge der Verhandlungen für den Doppelhaushalt 2017/18 die fehlenden Stunden der Gedenkstättenlehrer an den Schulen kompensiert werden. Bislang ist ihre Arbeitszeit auf Gedenkstätten und Schulen aufgeteilt. "Die Stunden in den Gedenkstätten fehlen natürlich an den Schulen. Deshalb benötigen wir Finanzmittel, um diese Stunden an den Schulen mit anderen Lehrkräften besetzen zu
können", so Baaske am Donnerstag.
CDU und Grüne schreiben sich den Beschluss zu Baaskes "aberwitziger" Idee als Erfolg zu. Der Druck der Opposition habe Wirkung gezeigt. "Es passt auch nicht zusammen, auf der einen Seite Gedenktage einzuführen und auf der anderen die Gedenkstätten des Landes zu schröpfen. Erinnerungskultur und Geschichtsbewusstsein lassen sich nicht zum Nulltarif entwickeln", sagte CDUBildungsexperte Gordon Hoffmann. "Das Problem des Unterrichtsausfalls ist ernst zu nehmen, doch es muss durch die Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte gelöst werden", sagte Marie Luise von Halem (Grüne).
Offenbar war auch den Koalitionären aufgefallen, dass sie mit einem Absatz der Gedenkstättenlehrer und einem nicht gleichwertigen Ersatz gegen den rotroten Koalitionsvertrag verstoßen würden. In dem 71-seitigen Papier heißt es auf Seite 63 wörtlich: "Die gedenkstättenpädagogische Arbeit soll, aufbauend auf den positiven Erfahrungen der zurückliegenden Jahre inhaltlich verstetigt und weiterentwickelt werden."
Es geht aber um mehr. Das Brandenburger Modell, etwa mit erstmals1994 in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen eingesetzten Pädagogen, wurde sogar zum Vorbild für andere Bundesländer. Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, spricht von einem Erfolgsmodell. Brandenburgs Aufarbeitungs-Beauftragte Ulrike Poppe hatte kritisiert, Baaskes ursprüngliche Pläne stünden "in vollkommenem Widerspruch" zu den Empfehlungen der Enquetekommission des Landtags zur DDR-Vergangenheit. Die Kommission hatte gefordert, die Gedenkstättenbesuche von Schulklassen auszubauen und die Gedenkstättenlehrer zu stärken. Stattdessen drohe, so Poppe kürzlich, ein Rückschritt bei der Vermittlung von DDR-Geschichte an Schulen. Nun soll Baaske, so der Auftrag des Bildungsausschusses, die Empfehlungen der Enquetekommission "bewerten und prüfen."
Noch drastischer hatte sich der Verein "Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte im Land Brandenburg" geäußert. In einer Mitteilung des Vorstands hieß es: "Der ohnehin nur bruchstückhaften Vermittlung eines realen Bildes über die SED-Willkürherrschaft an die heutige Schülergeneration droht mit dem Abzug von Gedenkstättenlehrer ein gefährlicher Substanzverlust."
Fraglich bleibt, worauf Baaske spekuliert hat. Er will ohne Denkverbote pragmatische Lösungen gegen den Unterrichtsausfall und den Lehrermangel finden, andere nehmen das als Poltern wahr. Insbesondere in diesem sensiblen Bereich. Denn in der Tat griffen die Überlegungen in den Kern nicht nur rotroter, sondern vor allem genuin sozialdemokratischer Geschichtspolitik ein - zumindest was die NS-Geschichte angeht. (Von Alexander Fröhlich)