30.05.2016, 11:22 Uhr | Presseartikel der Berliner Morgenpost

Wenn die Lehrerin aus Polen kommt
Brandenburg startet im Juni eine Kampagne. Für das kommende Schuljahr werden 800 Lehrkräfte gesucht. Auch im Nachbarland

Potsdam.  Marta Bures kommt aus Polen. Das hört man. Sie spricht nicht perfekt deutsch. Die Kinder in ihrer 4. Klasse an der Puschkinschule in Angermünde finden ihre Lehrerin trotzdem toll. "Auch die Eltern freuen sich offenbar von Herzen, dass ich da bin", sagt die 38-Jährige. In Warschau hat sie Psychopädagogik und Kreativitätsförderung studiert, in den vergangenen sechs Jahren arbeitete sie als Erzieherin im uckermärkischen Gartz. Dort wohnt sie auch. Seit 1. Februar ist Marta Bures Lehrerin an der Angermünder Puschkinschule. Erst einmal befristet auf zwei Jahre. "Ich bin an der Schule verantwortlich für den Kunstunterricht", erzählt sie. Außerdem gibt sie Deutsch und Sachkunde. "Es macht mir und den Kindern großen Spaß", sagt die Quereinsteigerin aus dem Nachbarland.
Die Warschauerin ist nicht die einzige Lehrerin aus Polen, die in Brandenburg unterrichtet. An den öffentlichen Schulen in Brandenburg sind nach Angaben des Bildungsministeriums derzeit etwa 50 Lehrkräfte mit polnischer Staatsangehörigkeit tätig. Verstärkt in den entlegenen Landesteilen, inzwischen aber auch in Potsdam oder Hennigsdorf. "Wir freuen uns über geeignete Lehrkräfte aus EU-Ländern", sagt Bildungsminister Günter Baaske (SPD), "egal ob Österreicher, Belgier oder Polen". Für sie gelte die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit ebenso wie für Pflegerinnen, Kranführer oder Ärzte.

 Für das kommende Schuljahr benötigt das Land Brandenburg mindestens 1400 neue Lehrer. "Mit etwa 600 haben wir bereits Verträge unterschrieben", sagt der Bildungsminister. Bis 1. August sollen die noch fehlenden etwa 800 Lehrer gefunden werden. Ab Mitte Juni, so kündigt er an, werde das Land die Stellen tagesaktuell auch über eine spezielle Smartphone-Seite anbieten. Der Bedarf steigt weiter: Fast jeder zehnte Lehrer wird in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Bis 2020/21 werden das 1900 Pädagogen sein.

Von massenhaft nicht besetzten Stellen könne nicht die Rede sein

Auch wenn Eltern immer wieder über hohen Unterrichtsausfall klagen, kann laut Baaske von "massenhaft nicht besetzten Stellen nicht die Rede sein". Während des laufenden Schuljahres hätten die vier staatlichen Schulämter 1170 Lehrer eingestellt, darunter 485 unbefristet. Bis zu den Sommerferien würden nochmal 50 Stellen besetzt. Aktuell sind rund 470 Lehrer länger als drei Monate krank. Der reine Unterrichtsausfall liegt derzeit laut Ministerium bei 1,9 Prozent. Würde nicht vertreten, wären es 9,8 Prozent. Wie aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Freien Wähler hervorgeht, wurden im laufenden Schuljahr bisher rund 118.000 Schulstunden ersatzlos gestrichen. "Immer noch viel zu viele", kritisiert nicht nur die Opposition von CDU, Grüne und AfD im Landtag. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW fordert den Einsatz von noch mehr Lehrern.

"Bei den Daten zum Unterrichtsausfall handelt es sich um Durchschnittswerte", gibt Baaske zu. "Werden an einer kleinen Schule auf einen Schlag vier Lehrer krank, ist das mit einer Vertretung häufig nicht zu lösen." Erfreulich sei, dass es auf den letzten Halbjahres-zeugnissen nicht mehr dazu kam, dass die Leistungen in manchen Fächern nicht benotet werden können. "Mit einer Ausnahme: In einer Klasse fehlte die Musiknote", so Baaske.

Um neue Lehrer abseits des Speckgürtels um Berlin zu gewinnen, hat er im vorigen Jahr eine Lockprämie von rund 300 Euro zum Monatsgehalt für fünf Jahre angekündigt. Sie ist noch in keinem Fall ausbezahlt worden. "Womöglich könnte die Prämie im nächsten Jahr zum Einsatz kommen, falls über einen längeren Zeitraum und nach mehreren Ausschreibungen eine Stelle nicht besetzt werden konnte", betont Baaske. Er setzt nun zuallererst auf den brandenburgischen Lockruf: "Schnelle Verbeamtung bei Vorliegen der fachlichen Voraussetzungen, einer der geringsten Pflichtstundenanteile im Bundesgebiet, im bundesweiten Vergleich eine niedrige Schüler-Lehrer-Relation – und weiche Standortfaktoren wie günstige Mieten sowie Natur und Freizeit."

Quereinstiege sind auch ohne akademischen Abschluss möglich

Perspektivisch fordert die oppositionelle CDU, dass Brandenburg künftig weitaus mehr eigene Lehrer ausbildet. "Wir können uns nicht immer nur in anderen Bundesländern bedienen", sagt der CDU-Bildungsexperte und Landtagsabgeordnete Gordon Hoffmann. Auch Bildungsminister Baaske sieht die Notwendigkeit. Bis dahin setzt das Land auf Bewerber vor allem aus anderen Bundesländern und auf Quereinsteiger. Sie müssen allerdings bestimmte Kriterien erfüllen. Fehlt ein zweites Lehrfach, können sie laut Ministerium trotzdem unterrichten. Quereinstiege seien grundsätzlich auch ohne einen akademischen Abschluss möglich.

Die polnische Lehrerin in Angermünde, Marta Bures, hat einen Magister­abschluss. Sie hofft, bald unter denjenigen zu sein, die einen unbefristeten Vertrag erhalten. Die Quereinsteigerin hat nach den ersten Monaten herausgefunden: "Ich bin für diesen Beruf geboren." (Von Gudrun Mallwitz)


Quelle: www.morgenpost.de/brandenburg/article207618209/Wenn-die-Lehrerin-aus-Polen-kommt.html