23.09.2016, 08:52 Uhr | Presseartikel Potsdamer Neuste Nachrichten

Heißer Herbst mit Lehrern und Beamten
GEW-Landeschef wirft Brandenburgs rot-roter Regierung vor, die Probleme an den Schulen zu ignorieren

Potsdam - Brandenburgs rot-roter Regierung droht ein heißer Herbst – mit Massenprotesten von Lehrern und Polizisten für mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen und Altersteilzeit. Das kündigte Günther Fuchs, der Landeschef der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), am Donnerstag in Potsdam an. Für den 9. November ist eine Protestkundgebung in der Landeshauptstadt Potsdam geplant, zu der unter anderem die GEW, sie vertritt rund 18 000 Lehrer, und Gewerkschaft der Polizei (GdP) aufrufen, die die Interessen der 8000 Polizisten im Land vertritt. Beides sind die mobilisierungsstärksten Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes im Land. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, mit der sich die Regierung im Sommer auf Einstellungsmodelle geeinigt hatte, ist bislang nicht mit im Boot.

Die Tarif-Verhandlungen mit der GEW und GdP, die Entlastungen für Ältere, Altersteilzeitmodelle, aber auch bessere Eingruppierungen durchsetzen wollten, waren am 20.Juli gescheitert. In der Schlussrunde, die nur eineinhalb Stunden gedauert habe, waren die Forderungen von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und Finanzminister Christian Görke (Linke) abgelehnt worden. Dies sei nicht finanzierbar, so das Argument.

„Die Landesregierung ignoriert die realen Probleme an den Schulen. Und dort ist die Situation sehr, sehr angespannt“, klagte Fuchs. „Zwar hat jetzt das Schuljahr begonnen, aber die Probleme sind die alten.“ Der GEW-Landeschef warf Bildungsminister Günter Baaske (SPD) vor, sich an Zahlen neu eingestellter Lehrer zu berauschen, dabei aber zu ignorieren, „dass sich die Bedingungen an den Schulen nicht verbessert haben“. Baaske hatte jüngst verkündet, dass zum neuen Schuljahr 2016/17 rund 1400 neue Lehrer gewonnen werden konnten, während 600 in Pension gingen. Und nach einer Statistik der Kultusministerkonferenz hat Brandenburg bei der Schüler-Lehrer-Relation einen der vorderen Plätze im Bundesvergleich.

Fuchs ließ das nicht gelten. Er bezweifelte, dass die aktuell verkündete Zahl neuer Lehrer, die noch auf Zusagen beruhte, tatsächlich Realität geworden ist. „Es müssten mehr Lehrer eingestellt werden, mindestens 600 bis 700 mehr“, sagte Fuchs. Als Beleg führte er zum einen an, dass es allein 600 bis 800 kranke Lehrer gebe, darunter viele für längere Zeit, die aber in die Erfolgsstatistiken etwa zu den Klassenstärken eingehen würden. „Die Realität an den Schulen sieht anders aus“, sagte er. Das deckt sich mit Berichten aus den Schulen, etwa in Potsdam, die zum Schuljahresbeginn erhebliche Schwierigkeiten mit der Absicherung von Unterricht hatten. Zum anderen verwies Fuchs darauf, dass an den Schulen inzwischen 6000 Flüchtlingskinder unterrichtet würden, wofür schon etwa 300 Lehrer zusätzlich erforderlich wären.

Eine Sprecherin von Bildungsminister Baaske entgegnete, die Ausstattung der Brandenburger Schulen mit Lehrern sei so gut wie noch nie. In der 2014 beendeten Legislaturperiode habe die Lehrer-Schüler-Relation bei 1 zu 15,4 gelegen. Inzwischen aber liege sie – auch dank der besseren finanziellen Ausstattung aufgrund von rund 6000 Flüchtlingskindern – bei etwa 1 zu 14.5. Auf die Zweifel des GEW-Chefs an der Aufstockung der Lehrerschaft erklärte die Sprecherin, einen Tag nach Schuljahresstart seien von den 1400 neuen und insgesamt 19 300 Stellen im ganzen Land noch 44 nicht besetzt gewesen. Jeden Tag ändere sich der Stand durch weitere Einstellungen, sagte die Sprecherin. Einige Lehrer könnten aus unterschiedlichen Gründen auch erst am 1. Oktober antreten.

Fuchs forderte weiter, vor allem ältere Lehrer – der Altersdurchschnitt im Land ist hoch – zu entlasten. Es seien Kollegen, die früh in den Schuldienst kamen, die Brandenburger Teilzeit- und Lohnverzichtmodelle ertragen hätten, jetzt fast 40 Dienstjahre hinter sich hätten „und nun damit belohnt werden, dass sie bis 67 arbeiten müssen“. Trotz einiger Verbesserungen hat es nach Einschätzung von Fuchs auch unter der alten und neuen rot-roten Regierung und auch unter dem neuen Bildungsminister Baaske bislang keine grundlegenden Verbesserungen im Schulsystem gegeben. Es gebe keine strategische Politik, „man hechelt sich von Problem zu Problem“, sagte Fuchs. Es gebe eine „negative Kontinuität“. Brandenburg habe pro Kopf und pro Schüler im Bundesvergleich immer noch geringe Bildungsausgaben. Und: „Wir sind in den letzten 20 Jahren bei der Wahl der Minister nicht mit Glück geschlagen.

Aus Sicht des Bildungsexperten der oppositionellen CDU-Fraktion im Landtag, Gordon Hoffmann, ist die Protestankündigung der Gewerkschaften ein deutliches Zeichen. Das Tischtuch zwischen den Gewerkschaften und der rot-roten Koalition scheine endgültig zerschnitten, von beiderseitigem Vertrauen könne schon lange keine Rede mehr sein, sagte Hoffmann. Und er fügte mit einem Seitenhieb hinzu: „Anstatt Hunderte Millionen für eine unsinnige Kreisreform zu verplempern, sollten SPD und Linke lieber für bessere Arbeitsbedingungen für Lehrer, aber auch Polizisten und Forstbeamte sorgen.“ (von Thorsten Metzner)


Quelle: www.pnn.de/brandenburg-berlin/1115972/